Vielen Dank, Püppi Jenny, dass du dieses Thema in deinem heutigen Blog angesprochen hast.
https://www.gummipuppen.de/blog/lieber-ei…iche-realitaet/
Mir stellte sich die Frage, was Lüge eigentlich ist.
Die gängigste Definition ist:
Lüge ist das Gegenteil von Wahrheit.
So einleuchtend dies auch klingt und für den alltäglichen Gebrauch auch verwendbar erscheint, enthält diese Aussage jedoch zwei böse Fallen:
Zum einen sagt sie gar nichts aus über die Lüge, da sie einen undefinierten Begriff durch einen anderen undefinierten Begriff erklärt.
In dem Beispiel „Weiß ist das Gegenteil von Schwarz“ wird ebenfalls weder über Weiß noch über Schwarz etwas ausgesagt.
Beschreibe ich allerdings „Weiß“ als die Anwesenheit aller Wellenlängen des sichtbaren Lichts, ergibt sich als Definition für Schwarz: Schwarz ist die Abwesenheit von allem sichtbaren Licht.
Definiere ich hingegen Weiß als die Farbe der Reinheit, der Unschuld, der Starre, der Stille, des unlebendigen Eises und der Kälte, so ist das Gegenteil von Weiß nicht Schwarz, sondern Rot, die Farbe des Feuers, der Energie, des Lebens und der Liebe.
So auch bei der Lüge.
Damit zu der zweiten Schwierigkeit der Definition „Lüge ist das Gegenteil von Wahrheit“.
Diese Definition muss davon ausgehen, dass es eine objektive Wahrheit gibt, die der Lügner wie der Belogene gleichermaßen kennt oder erkennen könnte.
Dadurch verschiebt sich die Frage nach der Lüge hin zur Frage, ob es eine objektive Wahrheit gibt und ob der Lügner in der Lage war, diese Wahrheit zu erkennen, bevor er log, und ob er diese objektive Wahrheit kannte, bevor er log.
Tatsächlich aber ist diese Frage für das Wesen der Lüge ohne Belang.
Denn auch wenn die Wahrheit des Lügenden nur subjektiver Natur ist, also auf dessen Vermutungen, Annahmen, Intuitionen oder lückenhafter Erkenntnis der Realität basiert, so ist seine Aussage, sobald sie bewusst dieser subjektiven Wahrheit widerspricht, eine Lüge.
Dabei muss die Lüge keinesfalls immer böser Absicht entspringen oder dem Vorteil des Lügenden dienen.
Einem anderen eine bittere Wahrheit vorzuenthalten oder sie anders darzustellen, kann aus Rücksicht und sogar aus Liebe zu diesem anderen, der somit belogen wird, geschehen.
Unter der Verantwortung, die der Lügende damit übernimmt, kann dieser – manchmal sein ganzes Leben lang – stärker leiden als der Belogene, wenn er irgendwann vielleicht doch die Wahrheit erfährt.
Angenommen, ein Mensch, meistens sind es Frauen, aus einem armen Land will den dortigen schlechten Lebensbedingungen entkommen und wendet sich an einen anderen Menschen, meist einem Mann aus den „westlichen“ Industriestaaten - liebt sie ihn dann?
Liebt sie ihn dafür, dass er sie herausgeholt hat?
Liebt sie ihn als Menschen, der so etwas für jemanden anderen tut?
Oder wollte sie in erster Linie aus ihren schlechten Lebensbedingungen heraus und im goldenen Westen ein besseres Leben führen und Geld erwirtschaften, das sie dann ihren Eltern und Geschwistern senden kann, die zu Hause bleiben mussten, damit diesen wenigstens die größte Not gemildert wird?
Wie fühlt sich ein Mensch, der sich aus seiner Heimat entwurzeln lässt – entwurzeln lassen zu müssen glaubt, wenn man bedenkt, in wie vielen Ländern heute noch Mädchen als Ware angesehen werden und als Braut verkauft werden, für 30.000 oder 40.000 Euro – das in die „Aufzucht“ investierte Kapital muss sich ja amortisieren…
Was ist dann Ehrlichkeit im Erleben einer solchen Frau?
Was bringt einen Mann dazu, eine solche Frau in den Westen zu holen?
Ist es Liebe?
Liebe zu dieser Frau?
Zu diesem Menschen?
Ist es Mitleid?
Die Aussicht, eine unterlegenere, gefügsamere Partnerin zu haben als bei einer „westlichen“ Frau?
Sagt er es ihr so?
Was ist da Ehrlichkeit?
Wie fühlt sich eine „westliche“ Frau, die von den Schulnoten her, der Bildung, vielleicht sogar dem Universitätsabschluss ihren männlichen „Mitbewerbern“ adäquat war und in ihrer Arbeitsleistung ist, und dennoch für dieselbe Leistung weniger Lohn erhält?
Von der erwartet wird, Superhausfrau und Supermutti und Supermodel und Superkarrierefrau und Superbettmaus zu sein und das alles für weniger Lohn und Anerkennung?
Zweikommadrei Kinder gebären, um den Fortbestand der Deutschen zu sichern, und die Löken anständig aufzuziehen und zu erziehen, und nach zehn Jahren wieder halbzeitig ins Berufsleben einsteigen – natürlich zu weniger Lohn und die Rentenansprüche berücksichtigen bestenfalls die Aufzuchtzeit, aber nicht in der Höhe der Beiträge, die sie gezahlt hätte, wäre sie arbeiten gegangen wie ihr Gatte – was ist da Gerechtigkeit, was ist da Ehrlichkeit?
Und schließlich der Mann, der sich für seine Prinzessin einst den Hintern aufgerissen hatte, um sie zu „erobern“.
Er sieht sie, alt geworden, unförmig unter den Geburten und der Mehrfachbelastung von Familie und Beruf, die Reparaturarbeiten durch Schminke und Make-Up dauern auch von Monat zu Monat, von Jahr zu Jahr länger, nur er selber fühlt und sieht sich immer noch strahlend wie Adonis und rüstig wie Zeus, und blättert heimlich im Internet nach knackigen Mädels, die seinen Vorstellungen eines schönen Körpers mehr entsprechen als das, was sich da nachts erschöpft neben ihm im Bette wälzt – wenn es denn überhaupt noch ein gemeinsames Schlafzimmer gibt.
Ist er so ehrlich, mit seiner Partnerin darüber zu reden?
Würde das Sinn machen, wo doch durch Reden die Folgen des Alterns und die Narben des Lebens nicht zu ändern sind?
Will man wirklich diese Ehrlichkeit, die nicht umsonst „ohne Schonung“, schonungs-los genannt wird?
Und wenn man sie will – hält man sie auch aus? Wie?
Unsere Liebespuppen sind keine Ehrlichkeit.
Sie sind der Inbegriff der Illusion, der Täuschung, der Lüge.
Sie gaukeln dem Liebhaber eine Realität vor, von der er mindestens in einem Winkel seines Innersten weiß, dass sie nicht stimmt – ansonsten gehörte er in psychatrische Behandlung.
Dasselbe gilt ebenfalls in einer Beziehung zwischen zwei Menschen.
Auch sie leben und erleben Realitäten, die nur in ihren jeweils eigenen Innersten stimmen.
Ob es dann immer Unehrlichkeit oder Lüge ist, wenn mal die Realität des einen nicht mit der des anderen übereinstimmt, wer mag das bestimmen.
Vielleicht müssen wir einfach akzeptieren, dass die Realität des Partners manchmal so weit von der eigenen abweicht, dass er in uns die Verhinderung seiner Realität sieht.
Und wir ihm trotzig und bockig erscheinen, weil wir seine Realität nicht anerkennen mögen.
Dann kann Liebe sterben und zu Hass führen.
Hass jedoch führt zu Lüge und Krieg und unendlichem Leid (frei zitiert nach Meister Yoda).
Ehrlichkeit gilt vor allem für einen selbst.
Denn wahr sind in jedem Fall die eigenen Empfindungen, die man für den Partner fühlt, ganz gleich, ob der ein Mensch oder ein Haustier oder eine Liebespuppe ist.
Daran kann man sich halten, wenn man nach Ehrlichkeit sucht, nach Klarheit und nach Wahrheit.
Wie Dr. Johannes Pfeiffer in „Die Feuerzangenbowle“ sagt:
"Wahr sind nur die Erinnerungen, die wir mit uns tragen;
die Träume, die wir spinnen,
und die Sehnsüchte, die uns treiben.
Damit wollen wir uns bescheiden."