TROJANER
( (c) By Semjase 11/2016)
Nun ja, so schwer, wie ich erst dachte, war die Kiste ja gar nicht. Die bei einem EBAY-Anbieter georderte TPE-Doll JORINDA, 1,65m groß, war nach nur wenigen Tagen bei mir eingetroffen. Und während der DVD-PLayer lief und doe "Königin der Verdammten" auf den großen Breitformat-Bildschirm zauberte, packte ich die Kiste in Ruhe aus.
Nun ja, irgendwie kam mir die Kiste seltsam leicht vor. Sollte ich geneppt worden sein? Immerhin hatte ich satte 390 Euro für die Puppe vorausgezahlt, die 2299 Euro kostete. Womöglich ein unverzeihlicher Fehler!
Tatsächlich kam Jorindas schöner Kopf zum Vorschein, dann ihre Arme und schließlich die koplette Puppe. Sie war wirklich echt. Das keinerlei Spalten und Nahtstellen, nicht die geringsten Kratzer, ja überhaupt keine Makel an der 165 cm hohen Doll zu sehen waren, nahm ich eher wohlwollend als verwundert auf. Nur das sehr geringe Gewicht der Puppe machte mich stutzig! War ich also einem Billig-Plagiat aufgesessen oder nicht?
Während der Horrorfilm lief und für schauerliche Hintergrunduntermalung sorgte, setzte ich JORINDA mir gegenüber in den Sessel und nippte an meinem Cappucino. Ich klopfte kurz mit der Faust an ihre Schenkel und stellte verwundert fest, dass sie sich sehr massiv anfühlte, nicht wie das befürchtete hohle Plastik-Plagiat. Welches ich zwar auch gern gekauft hätte, aber nicht zu diesem horrenden Preis!
Die Sache begann mich zu interessieren. Ich klopfte mit meinem Kaffeelöffel dagegen. Der Klang war jetzt noch deutlich voller und sehr massiv!
Nun, seltsame Dinge gab es genug, und ich beschloss, mir keine weiteren Gedanken über die zugegeben seltsame TPE-Doll zu machen. Womöglich hatte der Hersteller sie gar nicht aus TPE, sondern einem High-Tech- Material gefertigt, das auch aus der Weltraumfahrt bekannt war. Aber trotzdem blieb der ständig bohrende Gedanke über das geringe Gewicht der sehr stabil wirkenden Puppe in mir. Auch die Flexibilität ihres Körpers kam ungewöhnlich geschmeidig herüber!
Nun ja, ich sollte mir wohl nicht so viel Horrorvideos reinziehen. Also schaltete ich kurzerhand den Player aus und wechselte die DVD. Ein Film über den Segelflugsport. Hatte ihn auf gut Glück aus meiner umfangreichen Videosammlung entnommen.
Nun, ich platzierte JORINDA jetzut auf der Kausch Dann machte ich mir noch einen Imbiss in der Küche. Danach wollte ich den Film weitersehen, löschte das Licht, machte es mir auf meiner Ottomane bequem.
Nach einiger Zeit, in der ich ganz entspannt den Film verfolgte, ertönte plötzlich ein Knacken. Nach kurzem Schreck ließ ich mich wieder entspannt zurücksinken. Womöglich kam das Geräusch aus meiner Sourrund-Anlage. Da hatte es öfter mal geknackt oder einen Kracher gegeben. Bei den Kabeln sparen war eben nicht so das Wahre.
Der Film endete. Und da ich müde war, wollte ich mich schnell waschen und danach schlafen gehen. Ich schaltete das Licht ein - und stutzte!
Die Doll war ... aufgeplatzt! Nein, nicht kaputt. Sie hatte sich in zwei Hälften gespalten, die jetzt vor der Couch auf dem Boden lagen. Aber auf dem Sofa lag immer noch die unversehrte Puppe!
Das war doch nun wirklich der Gipfel! So etwas konnte, ja durfte es überhaupt nicht geben! Es konnte doch nie und nimmer de Außenhülle von dieser Puppe abgefallen sein! Und als ich nach den beiden Hüllen auf dem Boden griff, waren sie so leicht, dass ich so gut wie kein Gewicht spürte. Und mit einem Male lösten sich diese beiden "Schalen" in meinen Händen zu Brösel auf und fielen auf den Teppich. Automatisch holte ich den Staubsauger und wollte gar nicht glauben, was ich da eben gesehen hatte! Womöglich war die tatsächlich äußere TPE-Schicht abgefallen. Passieren konnte im Leben ja alles Mögliche.
Still lag die Doll auf ihren Platz und lächelte sanft. JORINDA eben, mit schönen vollen Lippen und Ausdrucks vollen Augen. Ich beruhigte mich zusehens und beschloss, den Spuk einfach zu ignorieren. Morgen hatte ich Urlaub und würde mich nun 3 Wochen richtig ausspannen können vom anstrengenden Job. Ich war wohl einfach übermüdet, das war alles!
Ich duschte, zog den Schlafanzug über, und legte mich mit dem neuesten "Perry Rhodan" in der Hand ins Bett, um zu lesen. Alles war wie immer, aber ein leises Nagen in mir beim Gedanken an die Puppe draußen in der Stube war geblieben.
Knack!
Ich fuhr hoch! Wieder dieses Geräusch draußen in der Wohnstube! Ich machte "Festbeleuchtung" und rannte ins Wohnzimmer. Wieder lagen zwei Hälften der Puppe auf den Teppich, und wieder lag eine unversehrte JORINDA auf dem Sofa! Und die beiden Hüllen waren so leicht, dass sie bei meinem Herumlaufen von der bewegten Luft über den ganzen Fußboden geweht wurden. Nur diesmal zerbröselten sie nicht, ließen sich sogar völlig knautschen, nahmen dann aber völlig unversehrt ihre Formen wieder an, ohne den kleinsten Knitter zu haben.
Das gab es nicht, das war oberaffenultraverrückt! Es konnten doch keine Hüllen von der Figur abfallen, nie und nimmer!
Irgend ein Verrückter musste sich einen Spaß mit mir machen, anders konnte ich es mir nicht erklären. Der Kerl, der mir die Puppe verkauft hatte, arbeitete in der Forschungsabteilung des örtlichen Max-Planck-Institutes für Materialforschung. Als mir das einfiel, beruhigte ich mich wieder. Also wieder mal irgendeine "Ferkelei" von den Materialforschern, ganz klar! Ich schmunzelte, machte mir dann noch einen Cappucino. Später gegab ich mich wieder langsam zu Bett, las noch kurz und machte finster.
Knack!
Wieder sprang ich aus dem Bett, wie von einer Tharantel gebissen. Und sehr richtig lagen wieder zwei neue Halbschalen meiner Puppe auf dem Teppich. Ich legte sie Wort los zu den beiden schon vorhandenen Hälften und ignorierte den neuerlichen Spuk. Kaum im Bett, knackte es erneut!
Knack ........... knack ......... knack ......
Nun wurde es mir zu bunt! Ich beschloss, die Puppe in die Küche zu bringen, um endlich Ruhe zu haben. Aber als ich nach den vielen inzwischen abgefallenen Hüllen suchte, fiel mir ein seltsamer Umstand ins Auge: Die "älteren" Hüllen schienen gewachsen zu sein. Beim Vergleichen konnte ich deutlich die Veränderung des jeweiligen Kalibers sehen. Ich holte hastig das Metermaß: Die JORINDA hatte noch exakt die gleiche Größe: 160 cm!
Ich legte sie vorsichtig auf die Fliesen des Küchenbodens und ging wieder zu Bett.
Knack!
Knack ... knack ... knack ...
Mir war es egal. Ich ließ das leise Knacken, das auch aus der Küche bis zu meinem Schlafplatz drang, Knacken sein und musste schließlich eigeschlafen sein.
Als ich erwachte, war schon heller Tag. Ich erschrak nur etwas, als sich ein schwarzer Vogel auf mein Fenstersims verirrte. Eine Amsel. Sie waren sehr zutraulich hier oben am Wald, zumal ich die Vögel immer fütterte, auch im Sommer. Aber da packte mich ein eisiger Schreck! Denn hier stimmte etwas ganz und gar nicht! Amseln dieser Größe konnte es gar nicht geben! Der Vogel war 40 cm lang!
Als ich wieder hinblickte, war der Vogel fort. Ach warum nur erschrecken, war bestimmt eine Krähe, die ich noch im Halbschlaf mit einer Amsel verwechselt haben musste.
Ich duschte, kleidete mich an und ging in die Küche. Hier war der ganze Boden mit diesen seltsamen "TPE-Puppenhüllen" bedeckt. Zugluft hatte sie auch im Flur verteilt und mitten drin lag unversehrt meine Puppe. Ich maß: 160 cm! Und die gestern abgeplatzten Schalen hatte fast 2 Meter Größe!
Trotz nagender Gefühle räumte ich die Hüllen fort und knautschte sie in den Mülleimer. Und da das Brotfach leer war, würde ich zum Bäcker unten im Dorf fahren müssen.
Ich trat vor die Tür und stand mit einem Male vor fast Meter hohem Gras. Aber konnte das Gras über Nacht denn derart gewachsen sein? Das Wetter war schon seit Wochen extrem trocken in diesem extremen Sommer.
Beim Gang zum Wagen der nächste Schock: Der Jeep war so groß wie ein LKW, das Steuerrad ein großes Rad, dass sich nur schwer drehen ließ. Meine Füße erreichten nur mit Mühe die Pedale.
Trotzdem fuhr ich los. Ich wollte endlich wieder zurück in den normalen Alltag und den Spuk endlich vergessen.
Im Dorf angekommen, starrten mir die Dorfbewohner verdutzt hinterher. Ich ging zur Bank um Geld für den Einkauf zu holen. Doch der Schlitz im Geldautomat war viel zu groß, ja der ganze Automat! Meine EC-Card war zu klein!
Spätestens jetzt war mir klar, was wirklich geschah: Nicht die von der TPE-Doll abgestoßenen Hüllen wurden größer, sondern die Puppe ... SCHRUMPFTE, und mit ihr mein Haus - und ich selbst!
Ich war geächtet und mir blieb nichts anderes übrig als in mein Haus zurückzukehren. Was ich zuerst sah: JORINDA hatte sich nicht verändert, keine neuen Schalen lagen auf dem Boden. Doch kaum fiel die Tür ins Schloss, setzte dieser unheimliche "Häutungsprozess" sofort wieder ein. Die Schalen fielen schon bald im Minutentakt von der Statue. Ich gab es auf zu messen; es würden immer 160 cm sein.
Knack... knack ... knack ...
Mit seltsam tödlicher Ruhe beobachtete ich das Abspringen immer neuer Hüllen. Das Gras vor der Haustür war zu einem Wald aus Arm dickem "Bambus" geworten. Ratten, so groß wie ein Bulle, rannten über den riesigen Weg. Und ich glaubte, dass sie mich gut und gern hätten töten und fressen können. Über mir brummten laut wie Düsenbomber gewaltige Insekten. Die Fensterscheiben des Hauses splitterten, als eine riesige Libelle über das Dach fegte ...
Knack...knack... knack-knack-knack-knackknackknackknack ...
Ich war jetzt zu Tode geängstet und fasziniert zugleich, denn ich hatte mich auf eine REISE begeben, die noch nie jemals vorher ein Mensch angetreten haben konnte. Der Wald vor dem Haus war jetzt so riesig, dass man ihn nicht mehr sah. Mit einem lauten Knall drehte plötzlich die Statue ihre Hülle UM. Auch mein Haus hatte sich in diesem Augenblick wie eine Jacke umgewendet, ja selbst jeder Einrichtungsgegenstand war völlig "auf links" gewendet, ein Anblick der in keiner Weise zu beschreiben war. Sicher befand ich mich jetzt im Inneren dieser seltsamen Lara-Croft-Figur.
Nun war es totenstill. Meine Füße standen auf einer sich in endlose Ferne erstreckenden grauen Fläche, über mir sah ich das furchtbarste SCHWARZ das ich je gesehen hatte. Es gab keine Sterne, nichts, nur diese endlose, flache, farblose Ebene.
Die Welt existierte nicht mehr.