Nachdem ich von Beyond Range den entscheidenden Hinweis bekam, daß Tuluol das/eins der Lösemittel ist welches TPE geschmeidig in seine Einzelteile zerlegt und man aus vorhandenem (alt-) TPE und diesem Lösemittel eine Paste zur Reparatur herstellen kann, habe ich damit experimentiert.
'Mein' Chemiker (Doktortitel, auf Klebstoff spezialisiert) gab mir die Bestätigung und das nötige Hintergrundwissen.
Herstellung:
TPE (aus alten Puppen, Inserts, Probestücken...) klein schneiden und in ein Chemikaliensicheres Glas füllen, mit Tuluol aufgießen, schütteln, über Nacht stehen lassen.
Weiches TPE ist loser vernetzt und enthält weniger Polymere und mehr Öl, härteres TPE enthält mehr Polymere und braucht daher etwas mehr Tuluol um es zu verflüssigen, ist aber im ausgehärteten Zustand robuster, da es dichter vernetzt ist.
(hier sieht man helles, weiches TPE und dunkles härteres, in ungefähr gleichem Mischverhältnis. Das weiche ist flüssig, das festere ist zu einem Block verklebt und unvollständig gelöst. Ist es zu flüssig muss man TPE nachgeben, löst es sich nicht ganz, gibt man noch etwas Tuluol dazu)
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Tuluol bekommt man für wenige Euro den Liter, man muss lediglich eine Erklärung unterschreiben damit weder Drogen noch Sprengstoff herzustellen.
Solange man 0,5-1l Gebinde nicht überschreitet ist auch der Versand kein Problem.
Über Nacht zerlegt das Lösemittel das TPE in seine molekularen Einzelteile. Die schwimmen dann in der Lösung rum und warten darauf sich wieder zusammenzusetzen. Wenn das Tuluol abdampft entsteht aus den Teilchen neues, stabil vernetztes TPE.
Es empfiehlt sich eine Lösung herzustellen, die die Konsistenz von zähem Honig hat.
Für Oberflächen Reparaturen etwas flüssiger, für große Fehlstellen können auch unaufgelöste Stückchen drin rum schwimmen und das Ganze ziemlich zäh sein.
Wenn man hat, ist es gut ein TPE zu verwenden was der Puppe in Farbe und Dichte (also 'weichheit') möglichst ähnlich ist. Im Idealfall vom gleichen Hersteller aus ähnlichem Produktionszeitraum. Dann sieht und fühlt man die Reparatur so gut wie gar nicht.
Vorteil dieser Methode:
-Einfach (selbst Anfänger können so ihre Puppe selbst reparieren)
-Kostengünstig (Altes TPE ist schnell beschafft und Tuluol kostet ein paar Euro)
-Schnell (Ansetzen der Paste ein paar Minuten, Reparieren auch, aushärten über Nacht, stabil)
-Haltbar (im Gegensatz zu rein mit Hitze verschweißten Stellen wird hier sogar stark beschädigtes Material in seiner Molekularstruktur regeneriert statt weiter geschwächt. Ein 'gesundes' neues Material entsteht)
Nachteil:
-Vorbestrafte könnten schwieriger an Tuluol gelangen
-beim Verarbeiten und Ablüften ist Tuluol ungesund (Paar Minuten, dann kann man es allein lassen). Allerdings ist es vergleichbar ungesund stundenlang mit dem Lötkolben an TPE rumzubraten. Macht beides blöd) Es ist also eine Abwägung ob man mehrere Minuten oder Stunden so etwas einatmen möchte. Haltbarer und schneller ist die Methode mit der Paste, darum muss man das auch weniger oft machen.
Hier ein Reparaturbeispiel, Catos stark zerstörte Füße.
Das Material war zerrieben, zerrissen, zerquetscht und so weiter.
Also etwas, was unmöglich allein mit kleben zu reparieren gewesen wäre da der 'gute' Kleber beschädigtes Material auch stark angreifen würde.
Ich habe ausschließlich mit der selbst hergestellten TPE-Paste gearbeitet, es war ein Versuch.
Ausgangszustand:
Die Fußplatten hatten Löcher mit Gewinde, daher hab ich ihm gleich schon Standbolzen verpasst.
Das TPE ist, wie man sieht, stark beschädigt. Würde man hier mit Kleber oder Hitze dran gehen, würde es instabil werden, die Molekülketten weiter beschädigt werden, es würde auch mit Material einschmezlen immer eine Schwachstelle bleiben.
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Mit Paste verfüllt, ausgeglichen und mit Frischhaltefolie fixiert (Der Trick stammt von Silicondoll, wie viele andere)
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Nach einer Nacht ist das Material stabil und vergleichbar fest wie die restliche Puppe.
Hier Reißtest an den schlimmsten Stellen.
Man sieht zwar ein wenig den Farbunterschied, da ich nicht exakt gleiches Material hatte, aber es ist wirklich stabil, auch das zerrissene, zerfetzte Zeug von davor ist mit verfestigt und zu stabilem Material integriert und verbunden worden.
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Um die Schraublöcher sah das dann so aus
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Wenn es noch Tropfnasen, Falten von der Folie, Unebenheiten oder ähnliches hat, kann man noch eine Schicht drüberziehen um es zu glätten oder dann mit Hitze arbeiten und es egalisieren. Das ist gleich. Mit Hitze zerstört man halt eher Strukturen, da diese aber eben ganz frisch und neu und ganz sind ist es nicht so schlimm wie bei dem sehr beschädigten Material.
Da ich eh am testen war hab ich einfach noch eine Schicht etwas flüssigeres TPE Paste drübergestrichen.
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Ich habe auch noch mehr Tests an anderen Puppen und mit anderen Problemstellen durchgeführt, diese dann in den nächsten Posts.
Auch Material-Hintergrundwissen, sofern es jemand interessiert.
Selbst angesetzte TPE Paste ist also sehr einfach und günstig herzustellen, leicht und schnell zu verarbeiten und bringt gute, sehr haltbare Ergebnisse.
Ich hoffe mt diesem Wissen einigen Puppen und ihren Menschlis zu längerer Partnerschaft zu verhelfen.
Nicht jeder kann sich den Aufwand einer teuren Reparatur leisten, nicht jeder hat die Motivation oder Möglichkeit sich an andere um Hilfe zu wenden, viele wollen ihr altes, abgeliebtes Püppchen behalten, auch wenn sie noch 10 weitere da stehen haben.
Nach der Reparatur sind die Stellen wirklich sehr klebrig, reines TPE eben.
Sobald man drüberpudert ist es wieder samtweich und trocken und ähnlich der normalen Oberfläche wie die restliche Puppe wenn sie neu ist.